Schleichend, unaufhaltsam und leise kommt sie, diese schreckliche Krankheit.
Der Betroffene verheimlicht vor dem Partner, der Familie und Freunden geistige Defizite und überspielt diese, eine Behandlung, bzw. ein Herauszögern dieser Krankheit ist also kaum möglich.

Besucher und auch der Hausarzt bemerken erst sehr spät diese Krankheit. Die Familie selber stellt oftmals eine Persönlichkeitsveränderung fest, aber wer sagt schon gerne einer Mutter oder einem Vater, du leidest scheinbar an Alzheimer.  Allein schon der Gedanke an diese Krankheit und dann auch noch die Aussage können böse Familientwistigkeiten schürren.

So war es auch in unserer Familie und nach einem bösen Streit, der vielleicht schon hätte zu denken geben müssen, entfernte ich mich mehr und mehr von meiner Familie. Pflichtbesuche und Telefonate endeten meisten nicht im Guten und so ließ man dann die Zeit verstreichen.

Im Jahr 1999 war es so bei meiner Mutter und mir. Nach mehreren Streitigkeiten, die eigentlich fast ausschließlich auf nichtzutreffende Aussagen meiner Mutter beruhten habe ich angemerkt, ob es sein könne, das sie Vieles durcheinander bringt. Aber das wurde wehement abgestritten und es kam zum Bruch. Das familiäre Zerwürfnis war für mich persönlich sehr schlimm und es tat sehr weh.

Meistens folgten Anrufe meinerseits in den darauffolgenden Jahren und oftmals endetetn diese mit einem Streit. Ich konnte nicht begreifen, warum das so war und fühlte mich ungeliebt.
Einige Jahre sah ich meine Mutter überhaupt nicht. Zu einer großen Familienfeier vor 3 Jahren( 2007) wurde ich eingeladen und als ich meine Mutter nach langer Zeit wiedersah, bin ich erschrocken.

Früher eine aktive, dynamische, bestimmende und fröhliche Frau, zu dem Zeitpunkt, gebrechlich, von Schmerzen gezeichnet und ohne ein Leuchten in den Augen, der Gang schleppend und von Schmerzen begleitet.  Im Gespräch wurde mir klar, ich war kein Teil mehr von ihrer Familie, es gab mich zwar, aber das war es auch.

Diese Erkenntnis tat natürlich noch mehr weh, als die Entfremdung der letzten Jahre. Dennoch sah ich zu diesem Zeitpunkt nicht, welche Krankheit meine Mutter in sich trug.

Im letzten Sommer dann der Anruf, das der Zustand meiner Mutter sehr schlecht ist und ich doch bitte *nach Hause* kommen möchte.

Ich war tief bestürzt über den körperlichen und geistigen Verfall meiner Mutter, ihre Stimme war heiser, die Motorik gestört, das Gedächnis wollte nicht mehr und das Nervenkostüm so dünn, daß sie fast nur noch weinte.

Schnell bemerkte ich, welche schwere Krankheit meine Mutter in sich trug und versuchte zu verstecken.  Der Hausarzt machte es sich leicht und verordnete Beruhigungsmedikamente, Untersuchungen nach den Ursachen wurden nicht durchgeführt. Ende des Jahres 2009 war eine Einweisung in eine psychiatrische Abteilung nicht mehr zu vermeiden.  Die nervliche Anspannungen und die Depressionen waren so schlimm, das eine medikamentöse Behandlung erfolgen musste.
Zu dem Zeitpunkt war die Hilfsbedürftigkeit allerdings auch schon soweit fortgeschritten, das meine Mutter in Allem Hilfe benötigte. Sie fand Räumlichkeiten nicht mehr,  sah oft Dinge, die nicht vorhanden waren.
Die Behandlung auf der psychiatrischen Station war für die medikamentöse Einstellung sehr wichtig, leider aber war die Station nicht in der Lage auch die pflegerischen Aufgaben und Hilfestellungen zu geben und ich sah mich gezwungen den Hausarzt zu bitten, meine Mutter nach drei Wochen Behandlung aus der Psychiatrie zu holen.

Mit Hilfe des gerufenen Pflegedienstes, Mithilfe im Haushalt von mir an zwei Tagen in der Woche und einigen Besuchen in der Woche, konnten die weiteren Monate bis zum Mai diesen Jahres überbrückt werden. Die Belastung für meinen Vater war riesig. Dennoch haben wir es bzw. mein Vater es geschafft.
Es gab immer Auf und Abs und es gab viele Tage an denen meine Mutter weinte und sehr depressiv war. Leider konnte sie nicht mehr mit ihrem geliebten Fahrrad fahren, was sie in den vergangenen Jahren täglich gemacht hatte und erschwerend kam noch hinzu, das sie ohne Rollator kaum noch laufen konnte.

Der Gesundheitszustand verschlechtert sich im April und Anfang Mai musste sie ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil der Verdacht eines Schlaganfalls bestand.

Nach 4 Tagen Krankenhaus, ohne große pflegerische Hilfe für meine Mutter, habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt sie so schnell wie möglich in eine Heim-Kurzzeitpflege unterzubringen. In den 4 Tagen Krankenhaus war keine Dusche erfolgt, das Bettzeug war vielleicht einmal gewechselt und die Mahlzeiten konnte sie kaum selber zu sich nehmen, wir haben öfter ihr helfen müssen. Traurige Billanz, denn man denkt ja ein Krankenhaus – und der Patient ist gut aufgehoben.

Zum Glück hat es mit der Pflegeeinrichtung geklappt. Das Alten-und Pflegeheim ist nur 3 Km von hier entfernt.  Ein ansprechendes Haus, ein sehr nettes, liebevolles, hilfsbereites und qualifiziertes Pflegepersonal, unterstützt von vielen ehrenamtlichen Helfern, macht den Aufenthalt in diesem Heim angenehm.

Leider ist die körperliche und geistige Verfassung sehr unterschiedlich. In den ersten Wochen nach der Einlieferung ins Heim konnte meine Mutter gar nicht laufen. Nachdem der Hausarzt dann psychoterapeutische Massagen und Lympfdrainnagen auf Bitte meinerseits angeordnet hat, kann sie jetzt wieder laufen, nicht weit und nicht schnell, aber sie muss nicht den ganzen Tag sitzen. Die Sturzgefahr ist leider groß, die räumliche Erfassung funktioniert nicht mehr und die shizophrenen Vorstellungen nehmen zu.
An guten Tagen erinnert sie sich auch an den Vortag, aber es kann auch sein, das sie alles durcheinander bringt und Dinge sieht, die nicht da sind.

Der körperliche Verfall schreitet vorran und der geistige Verfall noch schneller. Depressive Phasen gibt es immer wieder und das Heimweh nach dem eigenen Hause auch. Eine Qual die wir Angehörigen mit uns nehmen und nicht wissen, wie wir diese ändern können.

Besuche bei mir zu Hause finden statt und sie freut sich auch und möchte dann auch wieder nach Hause zu ihren Leuten, das ist dann das Heim, aber ich weiss nicht, wie es ist, wenn wir mit meiner Mutter in ihre Wohnung in ihr *Zuhause* fahren. Ich möchte nicht, das sie dann anschl. nicht  ins Heim zurück möchte und wir ihr das Herz unnötig schwer machen, denn aus der Kurzzeitpflege wurde eine Langzeitpflege.

Sie fühlt sich in der Einrichtung sehr wohl, mag das Pflegepersonal und lobt das gute Essen. Dennoch weiss ich nicht, wie gefangen sie in ihrem Körper wirklich ist, was sie noch versteht und welchen Ausführungen sie folgen kann. Oftmals merke ich wie sie Situationen überspielt, oder ich zeige ihr etwas auf unseren Spaziergängen und sie antwortet, obwohl sie in die falsche Richtung schaut.

Gestern habe ich ihr meinen Tagesablauf geschildert, da sagt sie, das hast du mir schon erzählt. Stimmt, hatte ich auch und dann erzählt man ihr und sie hat es sofort wieder vergessen, bzw. gar nicht aufgenommen.

Eine schwere und sehr traurige Situation. Eine große Belastung für meinen Vater.

Demenz

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